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Montag, 19 Dezember 2022 16:43

English Open 2022: Großer Sport und tiefer Absturz

English Open 2022: Großer Sport und tiefer Absturz world snooker

Mark Selby ist wieder da: Anderthalb Jahre nach seinem vierten WM-Sieg und schweren gesundheitlichen Problemen gewann er das letzte Ranglistenturnier des Jahres im Finale mit 9:6 gegen Luca Brecel.

Luca hatte Judd Trump im Viertelfinale mit 5:1, Mark Allen im Halbfinale mit 6:2 buchstäblich aus der Halle gefegt. Beide Male stand es schon zur Mid-Session 4:0. Dem spektakulären Spiel von Luca fehlt es jedoch offenbar noch am kompletten Matchplay, das nicht zuletzt Trump und Allen zu ständigen Titelfavoriten gemacht hat. In manchen verzwickten Positionen wählt er nach wie vor lieber den riskanten Pot-Versuch als eine passende Safety.

Robertson scheitert erneut knapp

Selby bezeichnete den Sieg als einen der wichtigsten seiner Karriere. Im Januar 2022 hatte er öffentlich gemacht, dass er seit Jahren an heftigen Depressionen leide und sich nun endlich in Behandlung begeben habe. Seine ganze Klasse demonstrierte er im Halbfinale gegen Titelverteidiger Neil Robertson. Das 6:4 beendete eine Serie von sieben Niederlagen hintereinander gegen den Australier.

Robertson wiederum verlor sein drittes Semifinale am Stück. Auch in Brentwood schien er mit etlichen großen Breaks der eindeutigste Anwärter auf den Steve-Davis-Glaspokal zu sein, vor allem nach seinem überragenden Feuerwerk gegen Mark Williams in der Runde der letzten Acht. Mark steuerte zum 5:2 ein fabelhaftes Maximum Break bei – das dritte in seiner langen Laufbahn.   

Martin Gould kann nicht nachlegen

Ronnie O’Sullivan verlor erneut zum allerersten Mal gegen einen Kontrahenten, dessen Spiel er enorm schätzt. Nach Gary Wilson bei den Scottish Open war in Brentwood Martin Gould dran. Der German-Masters-Champion von 2016 legte ein überzeugendes 4:1 hin. „Schön und gut, aber wenn ich gleich das nächste Match wieder verliere, kann ich mir dafür auch nichts kaufen“, legte Gould die kritische Latte fürs Achtelfinale hoch – und scheiterte prompt mit 1:4 am Überraschungsmann der Veranstaltung. Aber auch Ashley Hugill, 85. der Weltrangliste, hatte damit seinen Höhepunkt erreicht. Im Viertelfinale war Mark Allen beim 0:5 Endstation. 

Yan Bingtao wird gesperrt

Überschattet wurde die Woche im Südosten Englands von der Sperre Yan Bingtaos wegen des Verdachts auf Mitwirkung an Wettbetrug. Der Masters-Sieger von 2021 scheint nach allem, was bislang bekannt geworden ist, offenbar Opfer einer Organisation zu sein, die bevorzugt jüngere chinesische Spieler unter Druck setzt, gezielt einzelne Frames oder ganze Matches zu verlieren. Im Fadenkreuz der Untersuchung steht Liang Wenbo, English-Open-Sieger von 2016.

Eine freiwillige Beteiligung von Yan Bingtao an derlei Betrügereien wirkt höchst unwahrscheinlich. Der Junge ist mit 22 eines der größten Talente in der Weltspitze und sollte dank seiner bisher erspielten Preisgelder ohne Existenzdruck leben können.

Drohung per Telefon

Neben Liang Wenbo und Yan Bingtao wurden folgende Spieler gesperrt: Lu Ning (Weltranglistenplatz: 46), Li Hang (64), Chang Bingyu (77),  Bai Langning (124) und der Amateur Zhao Jianbo.

Chang Bingyu hatte in einem Posting auf dem chinesischen Portal Weibo festgehalten, er sei von Liang telefonisch bedroht worden, in der Qualifikation zu den British Open mit einem Score von 1:4 gegen Jamie Jones zu verlieren. Das Statement wurde kurze Zeit später gelöscht. Es ist nicht bekannt, ob er dies selbst veranlasst hat oder ob die staatliche Zensur dafür verantwortlich ist.

Abgeschottet in der Blase

Ein Grundproblem dieser Entwicklung scheint zu sein, dass viele chinesische Nachwuchsspieler in Großbritannien unter sich in einer Blase ohne nennenswerten Kontakt zur Außenwelt leben. Weltmeisterin Mink Nutcharut aus Thailand, die dank ihrer Lizenz für die Profitour selbst auf die Insel gezogen ist, stellte kürzlich fest, es sei kaum möglich, mit den jungen Kollegen aus China zu kommunizieren, weil deren Englischkenntnisse einfach nicht ausreichten.

Daher scheint es diesen Spielern schon rein sprachlich oder aufgrund mangelnder Kontakte und Vertrauenspersonen erschwert, einer der simpelsten Klauseln ihres Vertrages mit World Snooker nachzukommen: schlicht zu melden, sobald sie auch nur darauf angesprochen worden sind, ein Match zu manipulieren.

Nachhaltiger Schaden

Der langjährige Aktivensprecher Shaun Murphy hielt im TV-Interview fest: Am liebsten wäre es ihm, wenn die Beteiligten unschuldig aus dieser Sache herauskommen könnten. Aber jeder, der in diesem Szenario aktiv tätig geworden sei, müsse lebenslang gesperrt werden, um ein Zeichen zu setzen. Ansonsten könne die gesamte Snookerszene nachhaltig beschädigt werden.

Text: Matthias Breusch, www.satz-ball.de/snookermania

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