Kyren Wilson hat sein Meisterstück von Sheffield früh in der Saison bestätigt. Der Warrior ist der erste Champion des neuen Xi'an Grand Prix in der historischen Stadt der Terracotta-Krieger. 6:4 gewann er in einem unterhaltsamen Halbfinale gegen Ronnie O'Sullivan, 10:8 (nach 7:8-Rückstand) gegen Judd Trump in einem taktisch geprägten Finale mit engen Frames, wenigen hohen Breaks, aber etlichen sehenswerten Momenten auf beiden Seiten.
Kyren Wilson holte sich den Goldpokal, seine siebte Ranking-Trophäe, nachdem er im Turnierverlauf einige hohe Hürden genommen hatte. Neben dem spektakulären Semifinale gegen O'Sullivan wäre der formstarke Jimmy Robertson bereits im Achtelfinale beinahe zum Stolperstein geworden. Jimmy führte mit 4:2, als Kyren mit drei exzellenten hohen Breaks das Comeback gelang.
Souveräne Siege gelangen Wilson gegen den pakistanischen Tourneuling Haris Tahir (5:2), den Rookie des Jahres aus der letzten Saison, He Guoqiang (5:2), den dreifachen Titelträger bei chinesischen Turnieren, Ricky Walden (5:3), sowie die überraschend ins Viertelfinale eingezogene Nummer 58 der Welt, Xu Si (5:1).
Leicht aus dem Leim
"Ich habe versucht, so hart dranzubleiben wie möglich. Keiner von uns beiden hat heute sein bestes Spiel gebracht, aber es war wunderbar, vor vollem Haus Teil dieses Finals zu sein. Nach der 0:6-Niederlage gegen Zhou Yuelong in Shanghai bin ich froh, hier gezeigt zu haben, warum ich Weltmeister bin. Mir war klar, dass ich ambitioniert rangehen und mehr Pokale gewinnen muss, weil Judd in puncto Ranking-Titel so weit vor mir liegt. Wann immer ich in einem Finale auf ihn treffe, will ich daher punkten. Seit der WM habe ich dieses Hoch angestrebt."
Dass er eine neue Weste benötigte, weil sich die vielen exzessiven Feiern in einem spürbar gerundeten Körperumfang niedergeschlagen haben, ist ihm bewusst: "Ich bin ein bisschen aus dem Leim gegangen, weil ich das falsche Hoch angesteuert habe. Jetzt habe ich die großen Turniere wieder konzentriert im Blick."
Judd ist wieder die Nummer eins
Die Regentschaft von Mark Allen auf dem Thron der Weltrangliste war auf den Sommer beschränkt. Aufgrund seiner beiden Niederlagen im WM-Achtelfinale gegen John Higgins (12:13) und im Achtelfinale von Xi'an gegen Barry Hawkins (3:5) konnte er sich kein Punkte-Polster erspielen; an der Championship League hatte er nicht teilgenommen.
Judd Trump gewinnt in Xi'an 76.000 Pfund und ist daher exakt punktgleich mit Allen. Er wird als neue Nummer eins geführt, weil das letzte höhere Resultat zählt. Der Sieg gegen Wells war sein zehnter in Folge. Vor dem Finale von Xi'an gab er in sechs Matches lediglich sieben Frames ab.
Nach dem Finale sagte Trump: "Ich habe zu viele Fehler gemacht. Bei 8:8 bekam ich eine Chance. Ich habe im gesamten Turnier nicht gut gespielt und war glücklich, heute einen Kampf liefern zu können, habe aber alle engen Frames verloren."
Großer Erfolg für Daniel Wells
Der 36-jährige Daniel Wells krönte seinen Wiederaufstieg in die Profi-Riege dank des 5:3 (nach 1:3-Rückstand) gegen Barry Hawkins mit dem zweiten Ranking-Halbfinale seiner Karriere und gewann mit 34.500 Pfund das größte Preisgeld seiner Laufbahn. In der Saison 2022/23 schaffte er die Rückkehr als Amateur auf Platz eins der Liste der Spieler außerhalb der Top 64, ohne die Q School spielen zu müssen. In Xi'an gewann er zuvor 5:1 gegen Dominic Dale, 5:3 gegen Julien Leclerg und 5:4 gegen Thepchaiya Un-Nooh.
Der Spielplan mit sämtlichen Resultaten aus der Metropole der Provinz Shaanxi ist hier einzusehen.
Die Qualifikation für Xi'an fand Ende Juli in der Mattioli Arena von Leicester statt (siehe unseren Bericht).
Heimkomplex der China-Cracks
Wie schon beim Shanghai Masters scheiterten alle chinesischen Topspieler früh. Sensationell unter die letzten 16 schaffte es der erst 17-jährige Tour-Rookie Gong Chenzi, wo er Matt Selt nur äußerst knapp unterlag: Er verschoss den Frameball zum 5:3. Danach setzte sich die Routine des 39-jährigen Engländers durch.
Gong triumphierte zuvor 5:1 gegen Tom Ford und 5:3 gegen Si Jahui sowie in der Qualifikation 5:4 über Anthony Hamilton.
Nervenstark: Xu Si
36 Frames, volle Punktzahl: Vier Decider in Folge bescherten Xu Si das beste Resultat seit seinem Halbfinale gegen John Higgins bei den Indian Open 2017: den Einzug ins Viertelfinale von Xi'an. Mark Williams lag im Achtelfinale 4:2 vorne. Xu Si holte drei Frames in Folge und sicherte sich das Weiterkommen im letzten Frame mit einer 109. Auch gegen Ding-Bezwinger Alfie Burden, Stuart Bingham sowie in der Qualifikation gegen Jiang Jun siegte er 5:4.
Spaceman auf Abschiedstour
Weiterhin erfolgreich ist Spaceman Dominic Dale. Trotz seiner stabilen Weltranglistenposition 36 erklärte er nach dem 1:5 gegen Daniel Wells im Achtelfinale erneut, dies sei definitiv seine letzte Saison. Verschiedene Schmerzpunkte in seinem Körper wolle er nicht noch länger strapazieren. Dale schlug zuvor Noppon Saengkham 5:3 und Shaun Murphy 5:2.
Jimmy fordert den Weltmeister
Jimmy Robertson stand gegen Kyren Wilson im Achtelfinale kurz vor einem großen Sieg. Beide Spieler lieferten sich ein Klasse-Match. Robertson begann unwiderstehlich mit zwei Centuries sowie zwei weiteren Breaks über 60, der Weltmeister konterte mit starkem Endspurt: Nach dem 2:4 drehte er das Match mit drei hohen Breaks, darunter einer 103 zum 3:4.
Murphys furioser Kurzauftritt
Shaun Murphy spielte furios, war aber ebenso schnell wieder auf dem Heimweg. In seinem 55-Minuten-Whitewash gegen Jamie Clarke gelangen ihm drei Centuries, in der Runde der letzten 32 gegen Dominic Dale beim 2:5 zwei weitere.
Champions mit Fehlstart
Gleich zu Beginn des Championats hagelte es überraschende Resultate: Chinas Nummer eins Ding Junhui verlor das Qualifikationsmatch gegen Alfie Burden mit 4:5. Thailands Sunny Akani krönte seinen Traumstart bei der Rückkehr auf die Main Tour mit dem vierten Sieg in Folge: einem 5:4 gegen John Higgins mit fünf hohen Breaks.
Ebenfalls sofort wieder verabschieden mussten sich Neil Robertson (2:5 gegen Yuan Sijun), die chinesische Nummer zwei Zhang Anda (2:5 gegen Graeme Dott) und die chinesische Nummer vier, Zhou Yuelong (2:5 gegen Thepchaiya Un-Nooh).
Pfundige Preisgelder
Das neue Turnier ist mit 850.000 britischen Pfund Preisgeld (rund 995.000 Euro) dotiert. Kyren Wilson erspielte sich 177.000 Pfund, Judd Trump 76.000 Pfund. Für das Erreichen des Halbfinals gab es 34.500, für das Viertelfinale 22.350, für das Achtelfinale 14.000 und für die Runde der besten 32 immerhin noch 9.400 Pfund. Schon für den Sieg in der Qualifikationsrunde wurden 5.350 Pfund ausgeschüttet. Mark Williams erhält 5.000 Pfund für das höchste Break, eine 140.
Acht Überhangmandate
Acht Qualifikationsmatches mit chinesischer Beteiligung sowie das Treffen von Weltmeister Kyren Wilson mit dem pakistanischen Jungprofi Haris Tahir (5:2) wurden erst vor Ort ausgetragen. Mit Ausnahme von Ding Junhui gegen Alfie Burden konnten sich alle Favoriten durchsetzen.
Ronnie O'Sullivan - Wang Yuchen 5:0 * Mark Allen - Liu Hongyu 5:2 * Stuart Bingham - Zhou Jinhao 5:1 * Mark Selby - Wang Xinbo 5:3 * Zhang Anda - Oliver Lines 5:1 * Graeme Dott - Ma Shaojun 5:2 * Jamie Clarke - Cao Jin 5:0
Ohne sein Queue auspacken zu müssen, gelangte Barry Hawkins unter die besten 32, bedingt durch den Rückzug von Scott Donaldson. Der Schotte leidet ähnlich wie Jimmy Robertson unter Schüben von krampfartigem Zittern in Armen und Beinen, was ihm das Spiel zeitweilig unmöglich macht. Donaldson selbst war in der Qualifikation gegen Lim Kok Leong aus Malaysia kampflos eine Runde weitergekommen.
Snooker im TV
Im TV geht es ab dem 30. August auf Eurosport mit den Saudi Masters richtig los, wenn 144 Spieler vor Ort um Preisgelder in Höhe von 2,3 Millionen Pfund (etwa 2,7 Millionen Euro) antreten.
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