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Montag, 15 Januar 2024 13:28

Snooker Masters 2024: Ronnie fährt im achten Gang

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Snooker Masters 2024: Ronnie fährt im achten Gang WST.tv

„Er beginnt mich langsam zu nerven“ zitierte Alistair Carter mit säuerlichem Grinsen den berühmten Satz von Jimmy White nach dessen vierter WM-Finalniederlage gegen Stephen Hendry 1994. Trotz verdienter 5:3-Führung kam Carter auch in seinem dritten Triple-Crown-Finale nicht an O’Sullivan vorbei. Ronnie schaltete in der Abendsession einen Gang hoch und entschied sieben von neun Frames für sich.  

Ein schönes kleines Spiel

„Erstaunlich, wie weit wir es mit unserem schönen kleinen Spiel gebracht haben“, blickte Altmeister Steve Davis auf das 50-jährige Jubelfest der Snooker-Elite. Die 34.000 Tickets für die 15 Matches von 2025 sind längst verkauft. Sechs Minuten nach Öffnung der Verkaufsportale am Halbfinalsamstag hatten alle glückliche Besitzer gefunden.

Es zwickt in den Gelenken

„Pokale, Zahlen und Rekorde interessieren mich nicht“, kommentierte der Champion den letztlich wenig gefährdeten achten Triumph in seinem 14. Londoner Finale. „Ich will nur eins: mein Spiel weiter verbessern und Spaß daran haben.“ Sämtliche Experten stimmen überein, dass es ihm tatsächlich immer wieder gelingt, sich in technischen oder taktischen Nuancen neu zu erfinden, auch wenn er selbst einräumt: „Ich merke deutlich, dass ich auf die 50 zugehe. In meinen Gelenken zwickt und zwackt es überall. Mal schauen, wie lange ich das auf diesem Niveau noch hinbekomme …“

Wenig nette Post

Die Vermarkter der World Snooker Tour, die unbekannte Renditen mit den Snooker-Gladiatoren erwirtschaften, sind für ihn allenfalls Randfiguren, die von seiner Strahlkraft profitieren. Im Dezember hatte Ronnie wegen seiner kritischen Unterstützung der „Macao-Rebellen“ Post von der WST bekommen. Der Brief, der ihm ein Disziplinarverfahren ankündigte, weil der Standardvertrag der Profis öffentliche Meinungsäußerungen gegen die Bosse untersagt, sei „alles andere als nett“.

Steve Dawson, den Geschäftsführer der WST, würdigte er während der Siegerehrung im Alexandra Palace keines Blickes. Stattdessen unterhielt sich O’Sullivan demonstrativ herzlich mit dem Vertreter des Turniersponsors.

Der Darth Vader des Snooker?

Ronnies Halbfinalgegner Shaun Murphy, der parallel als formstarker Spieler und wortgewandter BBC-Kommentator ein höchst unterhaltsames Turnier absolvierte und noch die Zeit fand, Werbung für die Social-Media-Trickshots von Mark Williams und Thepchaiya Un-Nooh einzustreuen, hatte für diese Machtdemonstration schon vor dem ersten Anstoß eine gewagte Charakterisierung gefunden: Für ihn sei Ronnie nichts weniger als „der Darth Vader des Snooker“. In Ronnies Augen dürfte sich allerdings eher Dawson den zweifelhaften Titel als „Fürst der Finsternis“ verdient haben …

Flüssige Stoßzeiten

Trotz des Einbruchs im Finale kann German-Masters-Titelverteidiger Ali Carter auf ein großes Turnier sowie mit vier Endspielen innerhalb eines Jahres auf ein starkes Comeback in die Weltspitze zurückblicken.

Dank seiner neun Centuries überflügelte er den bisherigen Turnier-Rekord seines Endspielgegners, gegen Titelverteidiger Judd Trump bewies er im Decider des Viertelfinals seine Nervenstärke, und beim 6:3 im Halbfinale gegen Mark Allen gelangen ihm als erstem Masters-Teilnehmer des ersten halben Jahrhunderts drei Centuries in Folge.

Carters Matchplay hat durch das Coaching von Chris Henry spürbar gewonnen. Henrys vorrangiges Ziel sei stets, „in jedem Spieler das instinktive Spiel zu wecken“, wie es Shaun Murphy ausdrückte. Carter demonstrierte dies vor allem mit seinem flüssigen Breakbuilding und beschleunigten Stoßzeiten von unter 20 Sekunden.   

Maxxximale Glücksmomente

In den 49 Jahren zuvor hatte es lediglich drei Maximum Breaks durch Kirk Stevens (1984), Ding Junhui (2007) und Marco Fu (2015)  gegeben. Im Jubeljahr waren es gleich zwei 147er: Erneut Ding Junhui mit blitzsauberer Spielballkontrolle im Achtelfinale gegen Ronnie und Mark Allen dank einer mit spektakulären Bällen garnierten Thriller-Variante im Viertelfinale gegen Mark Selby.

2025 in Liga zwei

Weltmeister Luca Brecel erlebt nach wie vor eine nahezu völlig missratene Saison. Im Auftaktmatch gegen Jack Lisowski ging er wenig kugelsicher mit 2:6 unter. „Es war furchtbar“,  kommentierte er seine erschreckend schwache Form. Wenn ich so weitermache, spiele ich 2025 in der Q School.“ Luca kündigte an, er wolle sich zur Abwechslung ernsthaft am Trainingstisch darum bemühen, seine angeschlagene Reputation wieder aufzubauen.

Nach Sheffield auf die harte Tour

Ebenfalls nicht aus den Klötzen kommt Seriensieger Neil Robertson, aktuell Nummer 88 der Ein-Jahres-Weltrangliste. Gegen den starken Barry Hawkins gelangen ihm immerhin zwei Centuries in Folge. Als derzeitige Nummer 30 des provisorischen Crucible-Rankings dürfte er vermutlich gezwungen sein, sich auf die harte Tour für die WM zu qualifizieren.

Schicksal hauchdünn

Von den drei „Dauerverlierern“ des laufenden Spieljahrs zeigte sich lediglich Kyren Wilson zufrieden. Er verlor sein mutig geführtes Match gegen Judd Trump hauchdünn im Decider. Ein minimaler Stellungsfehler nach 56 Punkten eröffnete Judd die Chance zu einem makellosen Weltklasse-Steal. „Mein Spiel ist okay“, sagte Kyren später achselzuckend. „Ich fühle mich gut am Tisch. Dieses Ergebnis spiegelt einfach meine ganze Saison wider. Es kommen auch wieder bessere Tage …“

Feudeln im Palast

Eines dürfte sich allerdings auch 2025 im Alexandra Palace nicht ändern. Die Invasion der Fliegen, von denen viele während der Matches auf dem grünen Tuch landeten und sich für die bunten Kugeln interessierten. Ursache: das Remmidemmi der alkoholisierten Horden bei der Darts-Weltmeisterschaft an gleicher Stelle in den Tagen zuvor.

Ronnie machte seine Kritik öffentlich: „Ich bin schon ein bisschen ein Sauberkeitsfanatiker.“ Backstage sei es „sehr schmutzig und kalt. Es macht mich krank.“ Auch WPBSA-Vorstand Shaun Murphy sprang ihm bei: „Die Überbleibsel der 14-tägigen Dauerparty sind unübersehbar, keine Frage, aber es ist nun mal eine Event-Arena.“

Die Leitung des Palasts hat in der Zwischenzeit angekündigt, man werde in Zukunft noch mehr darauf achten, sämtliche Bierpfützen und Fast-Food-Krümel aus den Ritzen zu feudeln.

Text: Matthias Breusch, Snooker-Geschichten (satz-ball.de)

 

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Matthias Breusch

* verfolgt das schönste Spiel der Welt seit 1992 * bastelt unverdrossen an seinem ersten half century *  

* Liebhaber virtuoser musikalischer Handarbeiten * Übersetzer von automobilen Traumwelten für Octane * Redakteur von Rock Hard, Metal Hammer, RevierSport und rocks * Headliner und Kolumnist für guitar, drumheads, guitar dreams und guitar acoustic * Kurator des Stilblüten-Menüs Hammermusik für Behämmerte *  

Website & mehr: Snooker-Geschichten (satz-ball.de)

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