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Montag, 23 Oktober 2023 08:23

Snooker Q-Tour 2023, Event III: Glanzvoller Sieg für Umut Dikme

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Ein großes Wochenende für Snooker in Deutschland. Die TSG Heilbronn hat mit der erstklassigen Ausrichtung des hochkarätig besetzten Challenge-Turniers der World Snooker Tour ein echtes Ausrufezeichen gesetzt. Gekrönt wurde der Event vom unwiderstehlichen Lauf des Ludwigsburgers Umut Dikme, der das 5:1 im Finale gegen den Engländer Hamim Hussain glanzvoll mit einer 105 abschloss.

Die Q-Tour wird in diesem Jahr erstmals ausgetragen. Vier Turniere der Ebene unterhalb der Main Tour, bei der sich Spieler aus Europa und Asien für die Profisaison 2024/25 qualifizieren können, finden auf der britischen Insel statt, jeweils ein weiteres in Schweden, Bulgarien und Deutschland. Die Spieler entrichten pro Event ein Startgeld von 75 Pfund, World Snooker schüttet 14.300 Pfund an Prämien aus, darunter 3.000 für den Sieger und 1.500 für den zweiten Finalisten.

Umut Dikme rückt durch seinen Sieg auf Rang drei der „Geldrangliste“ vor. Platz eins wird nach Abschluss der Serie mit einer Profilizenz dekoriert. Außerdem ist Umut automatisch bereits jetzt für das finale Global Play-off qualifiziert. Dort werden in drei Gruppen mit je acht Spielern weitere drei Main-Tour-Karten ausgespielt..

Der richtige Stempel muss es sein

Die TSG kam über persönliche Kontakte in Gesprächen zwischen den Heilbronner Spielern Richard Wienold und Pedro Chacon mit den WPBSA-Vorständen Ken Doherty und Jason Ferguson zu der Ehre, das hochwertige Gipfeltreffen der Aspiranten auf eine Profi-Lizenz ausrichten zu können.

Allerdings sah man es in der Spitze der Deutschen Billard Union anfangs offenbar nicht so gerne, bei der offiziellen Vergabe nach Heilbronn nicht ausdrücklich einbezogen worden zu sein. Die Zustimmung wurde letztlich erteilt, aber der zeitgleich stattfindende Bundesliga-Spieltag nicht verlegt. „Man hat uns damit praktisch die verfügbaren Schiedsrichter entzogen“, sagte Frank Haberzettl, der stets positiv vibrierende Vorsitzende der TSG Billard.

Sportsgeist trifft Herzblut

Die 104 angereisten Teilnehmer aus 22 Nationen nahmen die Eigenverantwortung durchweg mit Sportsgeist und absolvierten ihre Partien bis einschließlich dem Achtelfinale ohne Referees in fairer Manier – passend zur entspannten Atmosphäre in den exzellent ausgestatteten Räumlichkeiten der TSG.

Die engagierten Mitglieder des nachhaltig gewachsenen Vereins haben in den letzten Jahren „mit viel Herzblut“ (Wienold) beste Voraussetzungen für Spitzensnooker geschaffen. Besonders stolz ist man auf die mit großer Eigenleistung aufwendig umgebaute ehemalige Vereinsgaststätte im oberen Geschoss. In der Snooker Arena stehen vier beheizte Star-Tische. Alle zehn Tische des Clubs wurden für die Matches des Q-Tour-Wochenendes mit Tüchern der Top-Kategorie bezogen. Somit profitiert auch der Spiel- und Trainingsbetrieb im Vereinsalltag des amtierenden Bundesligameisters noch längere Zeit von den Eigenschaften der superfeinen Kammgarnwolle.

Große Namen, großes Talent

Schaut man sich das Feld der Q-Tour an, dann wird deutlich, wie hart sich der lange Kampf um die wenigen Main-Tour-Tickets gestaltet. Veteranen wie Barry Pinches, Michael Holt, Peter Lines oder Craig Steadman suchen die Rückkehr ins Profilager; von den „älteren Herren“ trat lediglich der Jamaikaner Rory McLeod nicht in Heilbronn an, weil ihm der freigewordene Platz von Ronnie O’Sullivan bei den Northern Ireland Open angeboten worden war.

Etliche weitere Spieler, deren Namen in der jüngeren Vergangenheit bereits aufgeblitzt sind, haben dank ihrer spielerischen Klasse längst bewiesen, warum der Status „Amateur“ auf diesem Level irreführend ist, darunter Julian Boiko, Billy Castle, Chris Totten, Brian Ochoiski, Duane Jones, Tyler Rees, Liam Davies oder Peter Devlin, der mit einer 136 den Highscore des Wochenendes ablieferte.

Routine hilft nicht immer

Ein gutes Beispiel für diese Klasse ist auch der Österreicher Florian Nüßle, der nach starkem Spiel denkbar knapp im Decider des Achtelfinals gegen Michael Holt in einem vielversprechenden Break an einer kniffligen Roten auf die Mitteltasche scheiterte. Aber auch Holts Routine kam letztlich nicht durch. Am Sonntagmorgen musste er im Viertelfinale gegen Umut Dikmes Finalgegner Hamim Hussain und dessen technisch feine Queueführung seinerseits im Entscheidungsframe alle Ambitionen begraben.

Ausgeruhtes Matchplay

Parallel schlug Umut im Viertelfinale Chang Yu Kiu aus Hongkong mit 4:2. Auch der erfahrene Peter Lines fand bei seinem 2:4 im Halbfinale keine Mittel gegen den Mann mit dem ausgeruhten Matchplay.

Das Talent des BC Stuttgart spielte sich bereits 2022 gleich mehrfach ins Rampenlicht: mit dem Sieg beim österreichischen Patricks Royal Classic, gefolgt von Rang drei bei der Europameisterschaft, Platz fünf bei den World Games und dem Finaleinzug bei der Deutschen Meisterschaft. Die Ambitionen des 23-Jährigen gehen eindeutig in Richtung Main Tour. In dieser Form ist ihm vieles zuzutrauen.

Pro und contra Risiko

Etwas anders sehen die Zukunftspläne beim zweifachen Deutschen Meister Richard Wienold aus, der sich nach einem mehrwöchigen Intensivtraining in der Victoria’s Academy von Sheffield angesichts der riesigen Konkurrenz an hoch talentierten Nachwuchsleuten schon vor längerem gegen das Risiko entschieden hat, eine Profikarriere einzuschlagen. Der 25-jährige Maschinenbauingenieur hat seine Balance zum  Leistungssport als zukünftiger Testfahrer in der Entwicklungsabteilung eines Edelauto-Ausrüsters gefunden – und bleibt parallel seinem Heimatverein eng verbunden.

Liebe hat ein Ablaufdatum

Die meisten übrigen Teilnehmer der Q-Tour leben weiter ihren Traum von der großen Bühne. Auch der 20-jährige Alfie Lee will es wissen – trotz schwerer Gegner und jeweils frühem Ausscheiden bei allen drei bisherigen Q-Tour-Events. Zudem trägt er das Päckchen, als Sohn der langjährig gesperrten Bananenball-Legende Stephen Lee permanent kritisch beäugt zu werden: „Ich liebe diesen Sport. Ich habe mir fünf Jahre gegeben. Aber bis dahin muss etwas passiert sein.“

Snooker ist in guten Händen

In Heilbronn hingegen ist längst einiges passiert. Die Q-Tour dürfte über die sonstigen regen Aktivitäten der TSG Billard wie etwa das jährliche Finalturnier der German Snooker Tour hinaus Wirkung zeigen. Um es mit den Worten von BBC-Legende John Virgo zu sagen: Snooker ist in guten Händen.

Frank Haberzettl war nach der abschließenden Feierstunde mehr als glücklich: „Es ist uns gelungen, ein internationales Turnier auf zweithöchstem Level nach der WST zu organisieren und nahezu perfekt durchzuführen. Zur Belohnung haben wir einen großartigen Sieger aus Ludwigsburg erhalten. Snooker-Deutschland darf sich also doppelt freuen und auf eine weiterhin positive Entwicklung unseres Sports hoffen.“

Das vierte Q-Tour-Wochenende findet vom 10. bis 12. November im Landywood Snooker Club von Walsall statt.

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Text: Matthias Breusch, Snooker-Geschichten (satz-ball.de)

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Matthias Breusch

* verfolgt das schönste Spiel der Welt seit 1992 * bastelt unverdrossen an seinem ersten half century *  

* Liebhaber virtuoser musikalischer Handarbeiten * Übersetzer von automobilen Traumwelten für Octane * Redakteur von Rock Hard, Metal Hammer, RevierSport und rocks * Headliner und Kolumnist für guitar, drumheads, guitar dreams und guitar acoustic * Kurator des Stilblüten-Menüs Hammermusik für Behämmerte *  

Website & mehr: Snooker-Geschichten (satz-ball.de)

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